Samstag, 23. Juli 2011

Into the wild

All unsere Vorurteile die wir im Laufe unseres Lebens über die USA gesammelt hatten, haben wir versucht zu vergessen, um uns unser eigenes Bild zu machen. Die Grenzbeamten haben gleich begonnen und ein sehr positives, freundliches Bild gezeigt. Naja, es ging nicht so weiter – irgendwas Wahres muss ja an all den Stories über Nordamerika (Kanada ausgenommen) sein. Die Strassen sind gesäumt von Souveniershops, wo man für wenig Geld viel Schrott bekommt. Weiter geht’s zu einem Fleischhacker der uns empfohlen wurde um Elch-, Karibu- und Büffelfleisch zu kaufen. Fleisch gabs keines sondern „nur“ verschiedenste Wurstsorten. Die konnten wir gleich mal alle durchkosten – irgendwie hat das alles gleich geschmeckt. Bei genauem durchlesen der Zutaten stellt sich heraus, dass es alles Schweins und Rindwurst ist und nur Anteile an Elch, Karibou und Büffel enthält. Naja. 
Weiter geht’s zum Nikolaus, den wir in Nordpol besuchen. Richtig - in und nicht am Nordpol. So heißt nämlich ein Ort kurz vor Fairbanks wo das ganze Jahr Weihnachten (auf amerikanisch) ist. Souveniershops, Gehege mit Rentieren, überdimensionale Weihnachtsmänner, und natürlich der ECHTE Weihnachtsmann der auch im Juli kleine Kinder auf den Schoß und die ganze Welt auf den Arm nimmt. Hohoho. Wir könnten die Reihe fortsetzen mit: Bratpfannen mit Würstel, Beilage und Kochlöffel drinsteckend – wozu denn abwaschen, wenn etwas leicht anbrennt – und Fastfood Verpackungen lassen die Mülltonnen mitten in einem Landschaftsjuwel überquillen, eine Kantine verköstigt 5000 MitarbeiterInnen 3x am Tag – auf Papptellern und aus Plastikbechern, … o.k. wir hören schon auf!
In Fairbanks wollen wir uns dann auf den Dalton Highway vorbereiten. Der „Dalton“ führt über 800 km hinauf bis nach Deadhorse (Prudhoe Bay) direkt ans Polarmeer. Über die Strecke hört man unterschiedliches – von extrem schlechter Straße bis hin zu „Ja geht schon“.  Fakten: es gibt nur an 3 Stellen Tankmöglichkeiten, keine Möglichkeiten Lebensmittel einzukaufen, keine medizinische Versorgung, nur 2 Orte wo Autos primitiv repariert werden können. Längste Strecke ohne Service sind die letzten 400 km bis man das Polarmeer erreicht. Sollte hier das Auto liegen bleiben bezahlt man 5 Dollar pro Meile fürs Abschleppen (natürlich Doppelt – auch für die Anfahrt). Empfohlen sind mindestens 2 vollwertige Reservereifen. Und und und. Also decken wir uns mit Lebensmittel ein, machen einen Ölwechsel, lassen die Reifen checken und besorgen noch das essentielle „Fix a Flat“ (eine Dose Schaum der im Notfall einen Reifen wieder aufbläst und ausschäumt). So jetzt noch Bargeld besorgen und dann solls losgehn. Hmmm. Nachdem wir quasi alle Bankomaten in Fairbanks durchprobiert haben, finden wir noch eine Bank die geöffnet hat. Hier erfahren wir dass wir mit einer Bankkarte aus Österreich hier gar nix bekommen, wenn nicht mindestens Visa draufsteht.
Um halb 8 am Abend machen wir uns dann endlich auf den Weg, ein wenig genervt – aber voller Vorfreude auf unser Abenteuer. Bis jetzt waren wir landschaftlich (und vor allem auch kulturell) nicht sehr beeindruckt von Alaska, was uns schon sehr gespannt auf den wirklichen Norden macht. Nach rund 200 km schlagen wir kurz vor dem Yukon River unser Nachtlager auf. Nach wie vor etwas enttäuscht. Jetzt starten unsere Überlegungen – sollen wir wirklich die ganze Strecke rauffahren um dann wieder runterzufahren? Wir beschließen, zumindest mal bis zum Polarkreis zu fahren, und dann weiter zu schaun. 
Polarkreis 
Was macht man so wenn man am Polarkreis angekommen ist – Richtig – Brot backen. Die Gegend und auch die Wildnis beginnt uns jetzt nach und nach mehr zu faszinieren. Die landschaftlichen Veränderungen sind ständig präsent, sowie die Sonne, die hier bis zum 4. August nicht mehr untergeht. Je weiter nördlich wir kommen umso beeindruckter sind wir von dieser Wildnis, vom durchgehenden Sonnenlicht und von der Weite dieses Landes. 
Wir bewegen uns ja entlang des Arctic National Wildlife Refuge – eine „Nationalparkidee“ der anderen Art. Um dieses Gebiet  hat in den 60er Jahren eine Ökologiebewegung gekämpft, deren Ziel es war, ein Gebiet in Amerika zu erhalten (in der Größe von South Carolina!!), in dem noch „true wilderness“ ohne jegliche Spuren der Zivilisation zu finden ist: d.h. keine gekennzeichneten Wege, keine Lehrpfade, keine Gipfelkreuze und KEINE Straßen – aber durchaus die Einladung an Besucher, dieses Gefühl absoluter Wildnis zu erleben – allerdings mit dem Bewusstsein auf sich alleine gestellt zu sein!
Sonnentiefstand: 00:30 Uhr
In Coldfoot – nachdem wir die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht haben - wollen wir jetzt doch weiter. Wir sind völlig eingenommen von dieser faszinierenden Landschaft.  
 Dazu kommen dann noch ein paar Tiere wie: Elch im Wasser stehend, Wolf einen Hasen jagend, Dallschafe, ein Fuchs, nur die Karibous haben wir leider versäumt. Die haben bereits einen Tag vor uns den Dalton Highway Richtung Westen überquert. Die einzigen dies wieder mal versauen sind…….? Richtig die Moskitos (ganz ehrlich – wer dachte jetzt an die Ami´s?). Was sich abspielt wenn man aus dem Auto steigt ist unbeschreiblich. Es ist, als stünde man mitten in einem Bienenschwarm. Die „Angriffe“ klingen wie leichter Regen auf der Goretex Jacke, die wir zum Schutz tragen. Ohne Moskitonetz über den Kopf würde man es keine 10 Sekunden aushalten.
Das Schlechte am Guten:
Wen haben wir es nun zu verdanken, dass wir dieses wundervolle Fleckerl Erde in all seiner Pracht und Vielfalt sehen dürfen. Unseren ArbeitgeberInnen, uns selbst für den Entschluss diese Reise zu machen und BP (British Petroleum) die diesen Highway wegen der Ölresourcen in nur einem Jahr errichten ließen.  Dass uns am Ende dieses Highways Ölfelder erwarten, wussten wir, das Ausmaß jedoch ließ uns zusammenzucken. Man fährt von einem Meer an Schönheit und Einsamkeit in ein riesig großes Gebiet voll mit Schwerkraftfahrzeugen, Kontainerhäusern, Schloten und Fabrikshallen. Es befinden sich hier ca. 8 Ölfelder die alle aneinander angrenzen und sich an der Küste, und nicht wie wir dachten auf Plattformen am Meer befinden. Mit einem Mal waren alle schönen Erlebnisse in den Hintergrund gedrängt. 
Die Erlachs am Polarmeer
Das wir nun tatsächlich am Polarmeer waren, konnten wir gar nicht richtig fassen, geschweige den genießen, umgeben von dieser Schwerindustrie. Auch die Tour zum Polarmeer – anders darf man gar nicht hin – enthielt anstatt Informationen zu der Landschaft und Natur eine Huldigung an Amerikas Wirtschaft und Glanz. Zum Glück haben wir jetzt wieder 800 km Wildnis vor uns. Unser Rupert – der auf 100 km 25 Liter schluckt - wird uns aber immer an die Ölfelder im Norden erinnern.

7 Kommentare:

  1. hurraaaa - Gott schütze das Land der unbegrenzten Möglichkeiten! Ich hab mich grad in den Regen gestellt (bei 13 Grad) um einen Moskitoangriff zu simulieren. Klingt beeindruckend ... aber natürlich alles andere mindestens ebenso. Alles Gute weiterhin und bis bald im Skype! Bussis an alle, besonders für Enzo!

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  2. Hallo Christine, hallo Enzo!

    Sooo schöne Bilder und Geschichten - ich komme ins Träumen! Den Weihnachtsmann haben Steph und ich genau vor zehn Jahren rechts liegen gelassen am Weg vom Prince William Sound retour nach Fairbanks. Damals hatten wir auch noch keine Kinder! Ich wünsche Euch auf jeden Fall, dass Rupert Euch weiterhin treu begleitet.

    In Kärnten ist Regenzeit und die Temperaturen erinnern ebenfalls an Alaska. Das ist gut um sich auf den Urlaub in Frankreich und Sibirien vorzubereiten. Wie ich sehe sind die Verhältnisse ja ähnlich wie am Baikalsee - Millionen von Mücken!!!
    Wir fahren nächsten Sonntag in die Provence, nach Toulouse und dann ins Perigord.
    Und die grobe Route für Baikal 2012 steht auch: von Irkutsk aus eine Kombination aus Bike zum Baikal - Schnellboot "Raketa" - Bike auf der Insel Olchon - Schnellboot ans Nordende des Sees -Bikerunde um Nischneangarsk -Zug auf der Baikal-Amur-Magistrale nach Nowy Uoyan - viiiieeel Bike nach Süden Richtung Ust-Bargusin bis Tautarowo- Zug auf der Transsibstrecke bis Kultuschnaja - und noch einmal viel Bike am Südostufer entlang bis Kultuk und an der alten Transsib-Strecke nach Port Baikal und retour nach Irkutsk.
    Also: Google Earth starten und suchen - oder gedulden, dann kommt irgendwann einmal ein Track zum Nachfliegen frei Wohnmobil gesendet.
    Seid Ihr über E-Mail erreichbar? Dann könnte ich Dir die Planungsfortschritte regelmäßig senden. Meine E-Mail Adresse ist: roland.leschanz(at)gmx.net.

    Liebe Grüße von meinen beiden Köchinnen, die gerade eine Minestrone zaubern.
    Ich hau mich jetzt auf die Couch und schau mir den Zieleinlauf der Tour de France in Paris an.

    Liebe Grüße und alles Gute - und ganz dicke Bussis an Eure beiden Schätze!

    Roland

    PS: ...und danke für Eure wunderbaren Berichte, die so spanend sind und zum Träumen anregen.

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  3. Jingle bells, jingle bells ... mit das ganze Jahr Weihnachten, meint ihr echt, das GANZE Jahr Weihnachten, oder? Vielleicht sollte ich Shanghai absagen und doch lieber nach Nordpol ... ich versuche Sebastian mal zu überreden, vielleicht wird's ja was ... Einstweilen genieße ich eure Reiseberichte und ignoriere die bösen Spitzen gegen den Nikolaus und das bisschen Konsumterrorismus ... Alles Liebe Martina

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  4. hab grad euren sonnenuntergang-aufgang bewundert. Polarkreis klingt beeindruckend .....
    Moskitonetz ist auch eine gute alternative.
    Astrid

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  5. waaaaaaahhhhhhnsinnnnn! mehr gibts da nit zu sagen! :)

    Schöne Grüße,
    Heike, Martin und Zoey

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  6. Hallo, Eure Reise ist so beeindruckend das uns die Worte fehlen. Ich höre bereits von Kollegen wie toll ihr schreibt - da gehört ein Buch geschrieben. Wie geht es Christine - schon wieder gesund ? Uns geht es gut, der Sommer hat spät aber doch Einzug gehalten. Maria ist wieder neue Clubmeisterin und das zum achten mal ! Am Wochenende werden wir nach Ungarn - Ballatonfüred - fahren und ein Golfwochenende einlegen, ich freue mich sehr darauf da ich schon 10 Tage nichte gespielt habe.
    Ganz liebe Grüsse aus der Heimat von
    Papa/Opa und Maria/Oma

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  7. Date: march, 11fs
    Time: 17hundred ongoing

    Besser Schwein mit Elchanteil als Rind mit Wahnsinnsanteil – aber ich weiß, was ihr meint. Jaja, das Land der begrenzten Unmöglichkeiten.
    „Fix a flat“ – eines muss man den USAmerikanern schon lassen: die können einem sogar sowas ödes wie Reifenpatschenreparaturzeux auf schneidig verkaufen.
    Und schon wieder Piktschas vom Weildleif – Moose das sein? Wenigstens kein Bär diesmal….
    Moskitos stechen, Sonne geht im Osten auf, Erlachs am Polarkreis backen Brot – what else? Um ersteres beneide ich euch kein klitzekleines bisschen, um den Rest schon.

    What I did in the same period: Ikeaing and Physiotherpeuting (in this order

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